Cover
Titel
Missionsgeschichte als Geschichte der Globalisierung von Wissen. Transkulturelle Wissensaneignung und -vermittlung durch christliche Missionare in Afrika und Asien im 17., 18. und 19. Jahrhundert


Herausgeber
van der Heyden, Ulrich; Feldtkeller, Andreas
Erschienen
Stuttgart 2012: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
456 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Siegfried Weichlein, Departement Historische Wissenschaften - Zeitgeschichte, Universität Freiburg (Schweiz)

Der vorliegende Tagungsband geht auf eine titelidentische wissenschaftliche Tagung vom September 2010 zurück. Leider gehört er zu denjenigen Tagungsbänden, die ohne weitere Überarbeitung und Kommentierung die Tagungsbeiträge einfach abdrucken. Die Herausgeber haben sich leider auch nicht der Mühe unterzogen, eine umfangreiche Einleitung samt Bestimmung der leitenden Begriffe und Forschungsgeschichte voranzustellen. Das einleitende Vorwort umfasst gerade einmal vier Seiten. Das ist insbesondere deswegen ärgerlich, weil aus der Abfolge und den Themen der nachfolgenden Beiträge selbst keine irgendwie geartete Gemeinsamkeit hervorgeht. Die Beiträge werden schlicht in der alphabetischen Ordnung ihrer Autoren abgedruckt. Hinzu kommt die Heterogenität des Gegenstandes. Der Band behandelt Missionen in Afrika, Asien (beide im Titel), Australien und Ozeanien (beide nicht im Titel), allerdings mit einem gewissen Schwerpunkt auf Togo. Die Liste der Gegenstände ist ebenfalls höchst disparat: die London Missionary Society wird genauso behandelt wie die deutsche protestantische Mission, die Kolonialverwaltung in Berlin, die katholische Mission, die Gossner Mission, tamilisches medizinisches Wissen über die Tollwut, etc. Angekündigt werden Untersuchungen zum 17. bis zum 19. Jahrhundert. Tatsächlich finden sich aber auch Beiträge zum 16. und zum 20. Jahrhundert (de Souza zur portugiesischen Mission im 16. Jahrhundert, Pierard zur Weltmissionskonferenz 1910 in Edinburgh). Eine Reihe von Beiträgen bewegt sich auf der Höhe des Forschungsstandes, andere nehmen davon keine Notiz. Dies ist insbesondere bei den englischsprachigen Beiträgen verwunderlich, existiert inzwischen doch eine umfangreiche Forschungsliteratur zu kolonial knowledge und missionary knowledge, zumal an der Universität Cambridge. Angesichts der Heterogenität der Beiträge wäre der Leser für eine Orientierung in den Begriffen, den Methoden und dem Ertrag der Konferenz dankbar gewesen.

So muss er sich selbst zurecht finden. Dabei bietet der Band eine Fundgrube von Beobachtungen, die für die weitere Forschung wichtig werden können. So dokumentiert Rebekka Habermas den bisher gänzlich unerforschten Atakpame Kolonialskandal nach 1902, der das Thema Kolonialismus auf die politische Tagesordnung im Vorfeld der Reichstagswahlen von 1907 setzte. Die politische Agenda, die Wissensproduktion durch Missionare und die Interessen der Kolonialverwaltung spielten hier zusammen, um eine wissenschaftliche Großforschung zur Rechtsethnologie, genauer zum so genannten «Eingeborenenrecht» anzustoßen, das freilich erst nach dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen wurde. Alexandra Przyrembel wendet sich der Wissenspopularisierung durch die London Missionary Society zu, die als moderner Medienapparat den Missionar als Helden und den Afrikaner als Heiden zum Ausgangspunkt ihres Narrativs nahm. Hier wird vor allem die Professionalität deutlich, mit der die Missionare in ihren Bildprogrammen zu Werke gingen. Ähnlich instruktiv sind die Beiträge von Helge Wendt über den Umgang mit der Frage der Ehe in der Mission, von Dagmar Bechtloff über die christliche Mission im Kongo im 17. Jahrhundert und von Werner Ustorf über die Aborigines. Aber auch dort irritieren den Leser formale Mängel in Rechtschreibung und Kommasetzung.

Zitierweise:
Siegfried Weichlein: Rezension zu: Ulrich van der Heyden/Andreas Feldtkeller, Missionsgeschichte als Geschichte der Globalisierung von Wissen: transkulturelle Wissensaneignung und -vermittlung durch christliche Missionare in Afrika und Asien im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart, Franz Steiner Verl., 2012. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 406.